Mittlerweile gehen die ganz praktischen Problemlösungen weiter: Wie bekommen wir im Spielort der Alten Tabakfabrik Starkstrom? Können wir den Fernsehsender auf dem Gelände nebenan um einige 100 Ampère anzapfen? Wer kennt jemanden, der dort jemanden kennt? Und: Das Stück handelt immer wieder von Krieg und Soldaten: Wo bekommen wir ein Gewehr für die Vorstellung her? Wird die Nonne und überzeugte Pazifistin Friederike, die eine Kriegerin spielt, mit einem Gewehr hantieren? Lauter Fragen, die sich in Deutschland nicht stellen würden: Für das Gewehr würde am deutschen Stadttheater die Requisiten-Abteilung einen Katalog rausziehen, aus dem man sich einen täuschend echten Kalaschnikow-Nachbau aussucht: Für jeden Schauspieler würde in Deutschland der Satz genügen: „Du bist doch Profi.“ Hier ist weder das eine noch das andere selbstverständlich. Das ist kompliziert und anstrengend, aber auf den zweiten Blick eigentlich schön: In einem Land, das von Gewalt zerfleischt wird, ist die Beschaffung eines Gewehrs seltsamerweise ein Riesending. Aber dann auch wieder nicht: Warum nicht einfach die Peschmerga-Kämpfer fragen, die Tag und Nacht mit MGs das Kloster bewachen, die uns immer lachend grüßen, uns Tee und auch schon mal Spiegeleier anbieten? Sie sagen: „Kein Problem, eine alte kaputte MG findet sich immer.“ Ich glaube es erst, wenn ich es sehe.  

Friederike
© Paolo Accardo

Und Friederike, die Pazifistin?  „Kein Problem“, sagt sie. Wenn wir damit leben können, dass sie es nicht besonders soldatisch zusammensetzen kann? Können wir. Außerdem lernt sie den ganzen Text auf arabisch. Wir sind begeistert. Und lernen – nicht im Arabisch-Unterricht –  „Mafi Mushkile“, kein Problem, ist der am liebsten verwendete Ausdruck in diesem Land. 

Stefan Otteni